Der utopische Raum

Das Licht am Ende des Tunnels? Heute habe ich es gehört. Ja, gehört. Das geht.

Es ist normalerweise wirklich nicht so, dass ich mir zeitgenössische E-Musik anhöre, aber es hat sich nun mal so ergeben. Und es war ein Erlebnis.

Ich bin ja nicht im Urlaub, ich sitze im nicht enden wollenden deutschen Halbwinter, chronisch unterluxt, wie das heute heißt, und pandemisch erlebnisarm.

Aber ich muss es zugeben, manchmal hilft die Arbeit. Ich mache für die Frankfurter Rundschau bei der Veranstaltungsreihe „Der utopische Raum“ mit, zusammen mit der Stiftung Medico international und dem Institut für Sozialforschung, und der „utopische Raum“, das ist so was wie die Fahndung nach dem Ende des Tunnels: Wir schauen, wo es hell werden könnte bei all der Finsternis, die es gibt.

Heute, in Kooperation mit dem Ensemble Modern, eine Veranstaltung, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Ein zeitgenössisches Musikstück – fulminant, verstörend, betörend: „Assange – Fragmente einer Unzeit“ hieß es, ein symphonischer Schrei nach Freiheit für den Wikileaks-Gründer, den sie in London immer noch festhalten wie einen Schwerverbrecher, komponiert von Iris ter Schiphorst.

Dann Berichte über Behinderungen der Meinungsfreiheit in aller Welt, schließlich ein Gespräch über Medien der Aufklärung, bei dem ich auch mitmachen durfte, alles moderiert vom wunderbaren Ilija Trojanow.

Und was, bitte, hat das mit Licht am Ende des Tunnels zu tun? Da hier: Es war eine wunderbare Entschiedenheit zu spüren, das Elend nicht nur zu beklagen, sondern sich zu bewegen, um es zu überwinden. Und sei es mit Querflöte oder Tuba oder halt: Worten.

Mir ist revolutionäres (und oft leeres) Kampf-Pathos so fremd wie resignierendes Klagen über das Elend der Welt. Aber in diesem Saal beim Ensemble Modern hier in Frankfurt ist etwas Gutes, Zuversichtliches aufgebrochen. Ein Gefühl von Aufbruch, trotz allem. Ob das in der Youtube-Version (im Saal war natürlich kein Publikum) spürbar wird, weiß ich nicht, aber mich wird es durch die nächste Kältewelle tragen. Schaut es euch an!

Stephan Hebel