Impfling
So schöne Wörter kann nur Deutschland erfinden: Wir haben jetzt die »Bundesnotbremse« gezogen, und das heißt unter anderem: Ausgangssperre ab 22 Uhr bis morgens um 5, nur das Joggen bis Mitternacht hat irgendein begnadeter Landespolitiker als Ausnahme noch durchgesetzt. Gemessen an den griechischen Ausgeh-Regeln ist das ein Klacks, wird aber heftig diskutiert, was ich übrigens im Prinzip nicht schlimm finde, es geht schon auch um Grundrechte. Nur die Hysterie und die brutale Polarisierung, mit der das hier in Deutschland geschieht, machen mich fertig.
Jede Menge Tunnel also, aber vom Licht wollten wir reden. Bitte sehr: Ich bin geimpft. Das freut mich natürlich an sich schon mal sehr, auch wenn es bis zur Zweitimpfung dauert. Aber fast noch heller leuchtet für mich das, was ich im riesigen Frankfurter Impfzentrum sonst noch erlebt habe.
Ich weiß nicht, wie viele Leute das sind, die in der riesigen Festhalle am Messegelände Wege weisen, Unterlagen anschauen, wieder Wege weisen, Impfpässe stempeln und, ach ja: Menschen impfen. Und: lächeln. Ich habe selten so viel, so ausnahmslose, so unermüdliche Freundlichkeit auf einem Haufen gesehen. Ich kam aus dem Danke sagen gar nicht mehr raus. Ich dachte: Wenn das die Menschen sind, die die Entscheidungen und Nichtentscheidungen und Irrtümer und Fehler, die es ja auch jenseits des Diktatur-Geschreis an der Politik zu kritisieren gilt, exekutieren und ausbaden »dürfen« – dann fühle ich mich doch mal wieder so richtig zu Hause.
Mein Impftermin war nachmittags, und ich habe die freundliche junge Frau, die an diesem Sonntag ich weiß nicht wie viele hundert Unterlagen geprüft hat, gefragt, wie lange das für sie noch weitergeht. Um 22 Uhr ist der letzte Termin, um elf bin ich wohl hier raus, sagt sie. Und lächelt mit den Augen. Noch lange vor ihrem Feierabend habe ich zu Hause einen Schluck auf ihr Wohl getrunken.