tag 19

lieber stephan, 

ich muss doch noch mal was zum meer sagen. es ist nämlich gar nicht nur das schwimmen an sich –  wobei ich das schon auch sehr mag und in den vergangenen monaten brutal vermisst habe. als ich kurz vor meinem urlaub in hamburg war, hab ich einen slot für das schwimmbad gebucht, das quasi direkt gegenüber meiner wohnung liegt. normalerweise schwimme ich da jede woche zwei kilometer. weil man einen slot buchen musste, ging ich davon aus, es würde leer sein, aber ehrlich gesagt wirkte es genauso voll wie im vergangenen sommer. es wäre unmöglich gewesen, beim schwimmen auch nur einen meter abstand zu den anderen zu halten. der bademeister erwiderte auf meine frage, doch, es gebe bei ihnen schon ein limit, 230 leute. zweihundertdreißig. ich bin dann unverrichteter dinge wieder gegangen. aber eigentlich wollte ich ja was zur ägäis sagen. 

in den vergangenen 18 jahren ist es mir ein einziges mal gelungen, meinen mann nach lateinamerika zu bewegen, wo ich, wie du weißt, eigentlich am liebsten bin. wir flogen nach mexiko, cancún, und anschließend mit dem boot zur isla mujeres. ich hatte erwartet, dass er sowas wie aaah oder wenigstens ooh sagen würde, wenn er zum ersten mal dieses wasser sieht, türkisblau, klar und glitzernd, aber er sagte gar nichts. und als ich ihn fragte, sagte er, sichtlich bemüht, mich nicht zu kränken: naja, es ist ein bisschen wie in griechenland. ich hielt das für völlig absurd. ein paar jahre später verbrachten wir den sommer zum ersten mal auf amorgos, meiner lieblingskykladeninsel. seitdem liebe ich dieses meer, mehr als jedes andere. es hat die perfekte farbe, die perfekte temperatur, die perfekte schwappsigkeit. ich hatte keine ahnung, dass es sowas in europa überhaupt gibt. 

jede wette, dass ihr bis zu den knien reingehen würdet, mindestens. 

besitos

* karin

tag 17

lieber stephan, 

wir sind mit dem auto in den norden gefahren, wo der pilion praktisch nur noch aus bergen besteht. die landstraße windet sich in endlosen kurven die hänge entlang, das termometer sinkt alle zehn minuten um ein grad und irgendwann bist du in zagarada, wo kastanien in ihren grünen stachelhüllen wie lampions in den bäumen hängen. die luft ist schwül. um die 1000 jahre alte platane auf dem platz vor der kirche herum sieht es aus, als sei das hier ein ganz normaler sommer. die tische voll besetzt, kletternde kinder in den ästen. in einer seitengasse stehen ein paar gläser honig und eingemachtes obst auf einem kleinen tisch, dazu ein körbchen, um das geld für die ware zu hinterlassen, und eine flasche desinfektionsgel. 

eigentlich wollten wir an den strand von milopotamos, der als einer der schönsten strände griechenlands gilt. autos parkten entlang der landstraße, weit den berg hinauf, und als wir schließlich auf dem parkplatz ankamen, von wo aus holztreppen zur bucht führen, sahen wir schon von oben, dass a) der strand tatsächlich unfassbar schön ist, uns aber b) das mutmaßlich dezimierte treiben trotzdem zu viel sein würde, in anbetracht der umstände.

das wunderbare an griechenland ist ja unter anderem, dass es so viele strände gibt, dass nie alle überlaufen sind, schon gar nicht die, an denen nacktbaden toleriert wird. es gibt keine ausgewiesenen zonen dafür und offiziell ist es eigentlich überall verboten. aber in einigen buchten halten resolute nudisten das fähnlein nichts aufrecht und meistens stört sich niemand daran. um zu wissen, wo sich diese flecken befinden, konsultieren wir seit jahren die übersicht von captain barefoot, ein brite, der so gut wie sämtliche griechische strände erfasst und auf ihre nackttauglichkeit getestet hat. sehr verdienstvoll, wenn du mich fragst, und natürlich auch ein bisschen bekloppt – eine liebenswerte kombination. am strand von parisaina, nahe der ortschaft chorefto, fanden wir dann am späten nachmittag doch noch einen weg ins wasser. ich bin eine halbe stunde lang durch die kristallklare, türkisblaue ägäis geschwommen, über das lichtnetz gleitend, das die sonne auf dem meeresgrund auslegt, fische zählend. besser wird‘s nicht.

ich hoffe, ihr seid wohlauf!

besitos

* karin

tag 15

lieber stephan, 

ich bin daran gewöhnt, im sommer in griechenland einen schlimmen katzencrush zu entwickeln. ich liebe katzen! dass bei uns in frankfurt keine wohnt, liegt an der allergie meines mannes und daran, dass sie im vierten stock, innenstadt, sehr auf uns angewiesen wäre. dabei sind wir gar nicht so interessant. 

in diesem jahr hab ich mich zum ersten mal in einen hund verknallt. ich kann das erklären. 

als wir neulich ins dorf herunterliefen, kamen wir an einem olivenhain vorbei. von dort aus näherten sich ein halbes dutzend bellender hunde, von hinten schloss ein jogger zu uns auf. er sagte, er laufe diese strecke schon seit 20 jahren. aber die hunde, die seien dieses jahr zum ersten mal auf diesem hügel. „die halter haben sie ausgesetzt“, sagte er, „wegen covid“. dann verabschiedete er sich und lief weiter. 

seit ein paar tagen taucht nun am späten abend regelmäßig ein kleiner hund bei uns auf der terrasse auf. er ist schwarz-weiß gefleckt, sieht aus wie ein muppet, null street smart, und ich muss gestehen, dass ich ihn am anfang nicht wirklich hier haben wollte. das liegt vor allem daran, dass er sich lange und ausgiebig juckt und ab und zu in einer kratzorgie sein hinterteil auf den vorderpfoten über die terrasse zieht. wenn er fertig ist, steht er wieder da, sieht mich erwartungsvoll an mit seinem lustigen gesicht und wedelt mit dem schwanz, in dem er sich manchmal verbeißt, so schlimm ist das offenbar mit den flöhen. aber auch das ist nicht der grund.

vorgestern abend hab ich ihm eine scheibe schinken auf die stufen geworfen. er hat sie nicht angerührt, was mich wunderte, weil er so offensichtlich hungrig war. ich habe dann die scheibe genommen, kleine stückchen abgetrennt, ihm jedes einzeln zugeschnickst und er hat sie restlos weggeschlabbert. thilo glaubt, dass ihm die gesellschaft fehlt, die interaktion, dass er da, wo er mal gewohnt hat, all das hatte. dafür spricht, dass er abends gern auf unserer terrasse abhängt, in der ecke, während wir hier sitzen, reden, wein trinken, manchmal ganze playlisten wegsingen, und der hund liegt in der ecke, in frieden. ich hab fast das gefühl, dass er sich ein bisschen weniger juckt als sonst, wenn er eine weile hier ist, aber wahrscheinlich ist das einbildung. 

heute hab ich ihm hundefutter gekauft, was anständiges. gerade war er hier. er hat die schale leer gemacht, den stick für die zahnpflege verschmäht, die ich muttiesk für ihn vorgesehen hatte (es gibt leider keine sticks gegen flöhe, ich hab das gegoogelt), und ist dann, nachdem er satt war, einfach weitergezogen. wie eine anständige katze, nur ohne streicheln. aber das geht halt leider nicht. und es liegt nicht mal an corona. 

besitos

* karin

 

ps: er ist wieder da und liegt in seiner ecke auf der terrasse, ist eben doch ein hund

tag 13

lieber stephan, 

seit einiger zeit stoße ich im internet immer wieder auf werbung für eine app, mit deren hilfe man störende elemente aus fotos retouchieren kann. veranschaulicht wird das ganze am beispiel von menschen. eben noch war der strand im hintergrund voller urlauber, ein bisschen displaywischen und schon sieht es aus, als habe man die bucht gerade als erster entdeckt. 

einen attraktiven ort für sich allein zu haben gilt als jackpot in zeiten von overtourism. ich habe mal eine reisegeschichte über eine führung durchs vatikanmuseum gemacht, die knapp 300 euro kostete. dafür durfte man das gebäude nach torschluss betreten und war in der sixtinischen kapelle so gut wie allein.

ich weiß nicht, was auf dem pilion normalerweise los ist, wir sind ja zum ersten mal hier. der august jedenfalls ist in griechenland hauptferienzeit, und der 15. august, maria himmelfahrt, markiert ihren höhepunkt. familien kommen zusammen, feiern, essen, tanzen, und obwohl in diesem jahr große feste untersagt worden sind, hat man in den vergangenen tagen doch gemerkt, dass es voller geworden ist. ich sah männer erhebliche teile von kühen und schweinen in plastiktüten aus der metzgerei tragen, frauen verließen den supermarkt mit gesichtsausdrücken, die ich nur von verkaufsoffenen sonntagen vor weihnachten kenne. es muss schwierig sein, das fest in diesem jahr gelassen zu begehen, mit all den einschränkungen und auflagen. 

thilo und ich haben deshalb beschlossen, das wochenende über an unserem haus zu bleiben. wir retouchieren uns quasi aus dem bild, auch aus respekt, um wenigstens zwei plätze in der taverne frei für familien zu machen, die sich seit monaten nicht gesehen haben. happy panagia! stattdessen haben wir unsere stühle am meer aufgeschlagen und gepicknickt. für mich ist das größte am 15. august nämlich, dass thilo geburtstag hat. es gab tortilla mit kerzen und wir hatten den sonnenuntergang für uns allein. 

besitos

* karin

tag 11

lieber stephan, 

wie geht es dir? mir geht es gut. 

heute waren wir am strand und sind im meer geschwommen. 

apropos meer – übermorgen schreibe ich: mehr. 

besitos

*karin

ps: das nachdenken dauert deutlich länger, wenn man auf reisen ist. vielleicht liegt es daran, dass die gedanken so viel platz haben und dabei aufgehen wie hefe. muss man dann erst mal in form bringen. ich denke: brezel, aber mal sehn.