Die Zeit 34/2024
Über den Brockhaus meiner Mutter. Und Früher. Und Bücher.
Über den Brockhaus meiner Mutter. Und Früher. Und Bücher.
Ein Interview mit Iris von Arnim, geführt zusammen mit Evelyn Finger.
So. Hier hat so gut wie alles eine ganze Weile lang überhaupt nicht funktioniert, was mir vor ein paar Wochen eher zufällig auffiel, als ich mir mal wieder sagte, dass ich eigentlich mehr schreiben sollte, vor allem: könnte. Aber dann konnte ich doch nicht, weil die Webseite kaputt war. Jetzt ist sie zwar wieder erreichbar, dank der freundlichen Unterstützung von Frau Rietsch, aber ich fremdle noch ein bisschen mit dem arg minimalistischen Layout, für das ich mich vorübergehend entschieden habe (die alte Theme funktioniert nicht mehr, ugh).
Eigentlich würde ich gerne sowas wie einen wöchentlichen Newsletter schreiben, bin zB seit geraumer Zeit großer Fan dessen, was Nils Minkmar auf steady mit seinem Siebten Tag macht. Aber dann fällt mir wieder ein, dass ich eigentlich ziemlich faul bin und furchtbar gerne stricke. Und sticke. Und ich fürchte, wenn man bei steady mit viel Tam-Tam irgendwas ankündigt, dann muss man schon auch liefern. Deshalb dachte ich, ich könnte hier sowas wie eine Trockenübung versuchen. Merkt ja keiner. Und falls es klappt, falls ich mich ein kleines bisschen disziplinieren kann, dann geh ich rüber und spiel bei denen mit, die wenigstens ein bisschen Geld dafür bekommen. Stay tuned.
Seit fast 20 Jahren begleitet mich dieses Brötchen durchs Leben. Geschenkt haben es mir die Jungs vom Café Kante – zum 30. Geburtstag. Wir waren damals Nachbarn, ich wohnte in der Wohnung direkt über dem Café und mein Balkon war wie ein Logenplatz, auf dem ich saß und rauchte und manchmal schrieb, begleitet vom Tassen-Löffel-Klimpern unter mir. Es war eine fabelhafte Zeit, ich habe diese Nachbarschaft geliebt und wäre wahrscheinlich nie ausgezogen, hätten mir die Eigentümer nicht irgendwann wegen Eigenbedarf gekündigt.
Gestern beim Renovieren fiel mir auf, dass kleine Lebewesen mit Flügeln in das Brötchen eingezogen sind, was ein bisschen rätselhaft ist, nachdem sich jahrelang niemand dafür interessiert hat. Jedenfalls habe ich deshalb schweren Herzens beschlossen, dass sich unsere Wege nun trennen müssen. Danke für alles! Du warst ein gutes Brötchen! Und danke Habu, danke Norbert, danke Haki – für das wunderbare Geschenk, für die gemeinsame Zeit, für den Kaffee, die Herzlichkeit und den Trost, wenn ich ihn brauchte! ❤️
Ich habe mich stundenlang gefragt, warum sich diese beiden Dinge seit Stunden in meinem Kopf verbinden: die kleine S. und dieses großartige Interview über Rassen und Rassismus. Ich glaube, jetzt weiß ich es.
Gestern ist die kleine S. drei Jahre alt geworden. Ich habe sie ein paar Tage davor bei einem Arbeitstreffen kennengelernt, zu dem ihr Vater sie mitgebracht hatte. Er ist Sozialwissenschaftler und gehört zu den Leuten, denen zum Beispiel das Gendern beim Reden schon in Fleisch und Blut übergegangen ist. Da wird vor dem Binnen-I ein Sprechpäuschen eingelegt (Teilnehmer-innen etc.), und das mit einer Selbstverständlichkeit, die in scharfem Kontrast zu manchen Debatten in meinem Freundeskreis steht. Das sind keine verbohrten Konservativen, meine Freund-innen, aber sie tun sich extrem schwer mit der Anforderung einer (noch) Minderheit, ihre Sprechweisen zu ändern. Das finde doch ohnehin nur in irgendwelchen »Blasen« statt, hat mir gerade wieder einer meiner Liebsten entgegengehalten.
Ich habe mir vorgestellt, dass solche Dinge wie das Gendern für die kleine S. vollkommen normal sein werden, wenn sie erwachsen wird. Ich ecke zwar regelmäßig schmerzhaft an, wenn ich das im Freundeskreis sage, aber ich glaube, es wird passieren und die Sprache wird es überleben, wie sie auch andere Veränderungen schon überlebt hat.
Wir kennen diese Debatten ja nicht nur vom Gendern, siehe nur das »N-Wort«. Ich finde schon, dass das antirassistische Engagement manchmal zu irritierenden Ausschlägen führt – zum Beispiel, wenn infrage gestellt wird, ob weiße Menschen das Gedicht einer Schwarzen Autorin übersetzen können. Aber ich lehne dieses Engagement deshalb nicht pauschal ab wie andere, die sich darüber erstaunlich heftig aufregen können.
Nehmen wir mal das Wort »Rasse«, das ja bekanntlich im Grundgesetz steht (Niemand darf wegen…benachteiligt werden). Das waren ja keine Rassistinnen und Rassisten, die das 1949 aufgeschrieben haben, das Wort »Rasse« war damals das Selbstverständlichste der Welt. Aber jetzt kommt das Interview: Johannes Krause ist »Archäogenetiker« ein Wort, das ich bis gestern nicht kannte. Er erforscht das Genmaterial in Knochenfunden und erzählt in dem Interview zum Beispiel, dass der Ackerbau von Anatolien nach Mitteleuropa kam, kurz gesagt: Das schöne christliche Abendland verdankt sich wahrscheinlich »Türken« – und wir sind keine »Rasse«, sondern ein lustiger Genmix aus allem Möglichen.
In meinem Freundeskreis gibt es nun wirklich keine Rassistinnen und Rassisten. Aber ich bin einfach froh, den Zweifelnden dort etwas entgegenhalten zu können: dass das Denken und die Sprache sich entwickeln, je nachdem, wo das Licht der Aufklärung gerade leuchtet. Also werde ich ihnen auch beim nächsten Mal erzählen, dass das Lernen beim Umgang mit Wörtern ein schöner Fortschritt sein kann, egal ob es um Geschlechter geht oder um »Rassen«.