Der Sommer in Frankfurt war dieses Jahr ein bisschen kurz. Er fand statt am Sonntag, dem 9. Mai, den ganzen Tag bis weit in die Nacht. Ich durfte arbeiten, aber für einen kleinen Gang zur Eisdiele war Zeit, und die Sonne verbreitete ein Licht, das jeden Gedanken an Tunnel vertrieb. Abends ein Glas Wein vor der Haustür.
Jetzt ist wieder Tunnel, Wolken überall, immer mal Regen, und wir sollten uns ja auch nicht beklagen, zu trocken ist es sowieso. Ich sammle einfach wieder Lichtblicke der anderen Art, und ehrlich gesagt: Irgendwas findet sich immer. Heute: Die Leute, die den Pandemie-Frust in Ideen verwandeln, in Aufbrüche und Gelegenheiten.
Klar, das gelingt denjenigen leichter, die nicht in Sozialblocks eingesperrt sind und ihr Geld mit Paketeschleppen verdienen müssen. Aber andererseits: Auch Privilegierte können fantasievoll und mutig sein oder eben auch nicht.
In der Frankfurter Kulturszene, die ja auch ihre Gründe zum Klagen hätte, wollten sie nicht düsteren Gemüts in den zweiten Corona-Sommer stolpern, sondern sie haben sich etwas ausgedacht. Sollte es doch noch mal Sommerwetter geben, können wir die Aufführungen des Künstlerhauses Mousonturm oder des Ensemble Modern in einem temporären Freilufttheater anschauen und anhören. Ein sechseckiger Bau, entworfen von dem Architekturkollektiv »Raumlaborberlin«, bestehend aus einer Bühne in der Mitte und 100 gut durchlüfteten Logen drumherum.
Wenn ich so etwas sehe und höre, geht mir wenigstens für Momente das Gefühl der Ohnmacht verloren. Ich spüre, dass man sich auch im Tunnel bewegen kann, und sehe Licht.
Stephan Hebel
Foto: ©️raumlaborberlin
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