tag 30

Liebe Karin,

Du weißt, ich rede hier und da auch über andere Dinge als das Wetter. Aber da mir zuletzt schon das herbstliche Grau(en) vor Augen stand, muss ich Dir einfach auch diesen wunderbaren Spätsommer-Tag zeigen. Das mag Deinen Urlaubsende- Schmerz wenigstens ein bisschen lindern.

Ich nutze die Gelegenheit, mich mit meinem lieben Freund T. in seinem Kleingarten zu verabreden. Hab ich Dir davon schon mal erzählt? Seit die verdammte Seuche begann, war er mein einziger regelmäßiger Kontakt, abgesehen natürlich von der noch lieberen Gattin. Wir sitzen da, trinken ein Bier, politisieren ein bisschen vor uns hin und planen gemeinsame Projekte, Veranstaltungen und so. Natürlich wird es auch persönlich, wir haben uns einfach in jeder Hinsicht viel zu sagen und das ist ganz wunderbar.

Heute werde ich dort meine Bierflasche auf Dich und Thilo erheben. Vor allem darauf, dass ihr die Griechenland-Reise gewagt habt, trotz allem. Und trotz der Schatten, die in diesen Zeiten auf den Genuss fallen mussten, glaube ich zu spüren, dass Du außer Honig auch Kraft mit nach Hause bringst für alles, was jetzt kommen mag.

Ich freue mich sehr, manches davon auch in Zukunft mit Dir austauschen zu können. Aber ich bin auch traurig, dass unser kleines Hin und Her hier auf dem Blog mit Deiner Rückkehr endet. Deine Nachrichten und Gedanken haben mich immer zum Weiterdenken inspiriert, ganz anders als das, was sonst so alles auf einen einprasselt an Text und Bild und Ton. Und ein bisschen Urlaubsgefühl hast Du zu mir auch herüberwehen lassen.

Das war eine schöne Zeit. Danke, und bis sehr bald!

Besitos, Dein Stephan

tag 29

lieber stephan,

für deinen leitartikel bekommst du einen ganzen honigtopf für dich allein! ich muss gestehen, dass ich am samstag, während der demo, zum ersten mal in urlaubsstreik getreten bin und versucht habe, einfach gar nichts davon zur kenntnis zu nehmen, vorerst jedenfalls. ich hab ja so schon keine lust wieder nach hause zurückzukommen.

am montagmorgen, der mit einem herzergreifenden sonnenaufgang über dem ionischen meer begann, sind wir losgefahren. nach fünf stunden im auto war griechenland vorbei. ein- und ausreisen kann man auf dem landweg nach wie vor nur über einen einzigen grenzübergang, promachonas, und die bulgaren haben uns einreisen lassen – nicht sehr freundlich, aber das ist in diesem jahr auch gar nicht so wichtig, jedenfalls gab es keine schwierigkeiten. übernachtet haben wir auf einem winzigen campingplatz 40 kilometer westlich von sofia, den wir schon von der hinreise kannten. es gibt ein kompostklo, eine außendusche und wlan. die inhaber, eine kanadierin und ihr bulgarischer mann, haben ein paar stellplätze ins feld gesenst und sind so hinreißend, dass wir bulgarien morgen mit einem fetten freundlichkeitsplus verlassen werden, trotz grenzer.

am abend, bei kerzenlicht unter der offenen heckklappe unseres autos, haben wir uns eine geschichte für die einreise morgen in serbien überlegt, die ist nämlich womöglich ein bisschen heikel. wir haben diverse webseiten konsultiert, auf denen es heißt:

a) man dürfe sich zuvor nicht länger als zwölf stunden in bulgarien aufgehalten haben

b) man müsse serbien innerhalb von zwölf stunden durchqueren.

die offene frage ist, ob oder oder und, ob man uns getrennt dazu befragen wird. oder ob sich in der praxis einfach keine sau dafür interessiert.

wir wollen dann weiter über ungarn, allerdings will ungarn ab morgen keine ausländer mehr einreisen lassen. wie es mit transit aussieht? die einen sagen so, die anderen so, wir werden sehen. 

gesehen hab ich übrigens auch, wie espenlaub zittert, es klingt nach regen. und am horizont versank die sonne hinter serbischen bergen.

besitos

* karin

tag 28

Liebe Karin,

selten habe ich mich so gefreut, nichts zu kapieren! Dein kleines Rätsel zu Iason und dem Goldenen Vlies hat mich vollkommen ratlos zurückgelassen, aber das zeigt ja nur, dass ich mit meiner eklatanten Unkenntnis in Sachen griechische Mythologie nicht ganz alleine bin. Ich wusste gar nicht, dass wir auch das gemeinsam haben! Aber bevor Du mich missverstehst: Du hast garantiert mehr Ahnung davon als ich…

Ich sitze heute am Küchen-/Esstisch mit etwas wettertraurigem Blick in die Nachbarsgärten, über denen bei 16 Grad ein grauer Himmel lastet. Mit Mythen musste ich mich allerdings auch beruflich beschäftigen. Dafür haben diese teils verqueren und zum großen Teil brandgefährlichen Menschen gesorgt, die am Wochenende unter dem Vorwand von Corona ihr Verschwörungszeug losgelassen haben. Ich habe ja sehr viel zu kritisieren an der Politik. Aber das wird wirklich nicht leichter, wenn jeder vernünftige Zweifel durch Deutsches-Reich-Fantasien, Zwangsimpfungs-Geschichten, antisemitische Weltverschwörungs-Erzählungen oder den Quatsch von der „Merkel-Diktatur“ übertönt wird. 

Merkel macht aus meiner Sicht eine weitgehend falsche Politik, aber eine Diktatorin ist sie doch nicht! Hätten wir eine Diktatur, würden sich diese Leute wohl so wenig auf die Straße trauen wie wahrscheinlich ich…

Immerhin hatte ich mal wieder das Privileg, einige meiner Gedanken in einem Leitartikel aufschreiben zu dürfen. Und den habe ich hier jetzt einfach mal verlinkt.

Wenn er Dir gefällt, kannst du mir ja ein bisschen von Deinem Honig ums Maul schmieren. Guten Start nach Hause, nehmt Wärme und Sonne mit!

Besitos, Dein Stephan

tag 27

lieber stephan, 

ich kann gut nachfühlen, wie schwer euch die entscheidung gefallen sein muss, den urlaub auf teneriffa abzusagen! wir hatten den sommer in griechenland im april ja auch schon innerlich storniert, aber als dann die grenzen wieder aufgingen und wir eine möglichkeit sahen, kontaktfrei in den süden zu reisen, wollten wir’s versuchen. und es war richtig. 

gestern hab ich bei kostas (rechts im bild), dem besten und freundlichsten imker von lefkada, obszöne mengen honig gekauft. ich teile deine einschätzung, dass die kommenden monate ziemlich hart werden, da will man wenigstens einen schuss griechenland im tee haben. aber eigentlich wollte ich dir noch von jason und den argonauten erzählen. es ist nämlich so. der legende (also: ein paar internetseiten) zufolge, starteten jason seine reise auf der suche nach dem goldenen vlies im hafen von afissos, wo wir die ersten drei wochen unseres urlaubs verbracht haben. und nachdem ich schon kein griechisch spreche (bis auf danke, die rechnung, bitte und wir waren gerade scheißen und das schiff sinkt – eine redewendung, mit der sprecher große indifferenz zum ausdruck bringen), wollte ich mir wenigstens das mit den mythen genauer ansehen. bei wikipedia stieß ich auf folgende überlieferung: 

„Der Halbgott Pelias, Sohn des Poseidon und der sterblichen Tyro, verdrängte seinen Halbbruder Aison vom Thron von Iolkos und bemächtigte sich der Herrschaft über ganz Thessalien. Zu dieser Zeit befand sich Iason im Pilion-Gebirge, wo er von Cheiron erzogen wurde. Pelias erhielt von einem Orakel den Rat, sich vor dem in Acht zu nehmen, der nur einen Schuh trüge. Als Pelias zum Opfer für Poseidon einlud, kam Iason, um sein rechtmäßiges Erbe zu fordern. Auf dem Weg begegnete ihm an einem Fluss eine alte Frau (die verwandelte Hera). Diese bat den Helden, dass er ihr über den Fluss helfe. Beim Überqueren des Flusses verlor er einen Schuh im Schlamm. Pelias fragte nun Iason, wie er handeln würde, wenn er dieses Orakel erhalten hätte, und dieser antwortete, dass er die betroffene Person losschicken würde, um das Goldene Vlies zu holen, was Pelias auch tat.“

fertig? 

gut, dann jetzt scrollen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

wie heißt der halbbruder von pelias?

ist tyro sterblich oder halbsterblich oder ist das eigentlich egal?

muss pelias sich in acht nehmen von einem, der einen, keinen oder zwei schuhe trägt? 

und was ist mit sandalen?

warum muss ausgerechnet jason das goldene vlies holen? und wozu? ist hera kalt? 

ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich kann mir das alles nicht merken. auch die griechischen buchstaben fallen mir nicht ganz leicht, ich hab das gefühl, dass ich jedes jahr von vorne anfange sie zu lernen. neue sätze kann ich nur als lautfolge im kopf behalten, die ich bei bedarf aufsage wie eine melodie. und immer habe ich angst, statt um die rechnung zu bitten durch eine redewendung meine große indifferenz zum ausdruck zu bringen. 

anderen quellen (also: internetseiten) zufolge hat jason im hafen von afissos übrigens nur frisches wasser getankt. naja. 

besitos

* karin

tag 26

Liebe Karin,

das ist ja das Schöne an dem Flamingo: dass Du ihn aus reinem Altruismus erworben hast, um die lokale Wirtschaft zu unterstützen, während Thilo (Grüße!) ihn aus reinem Altruismus erträgt, schon aus Klimaschutz-Gründen (hier: Binnenklima/Paarbeziehungen). Schade nur, dass das Tier (der Flamingo!) nicht auf einem Bein stehen kann, aber das hätte der Hund ja auch nicht gekonnt, vom Aufblas-Coronatest ganz zu schweigen.

Ich war übrigens heute beim Arzt, Routine-Untersuchung, und der sagte, ich hätte ein gutes Herz. Tja, wenn man einen Arzt braucht, um das zu erfahren…

Ansonsten haben wir gerade beschlossen, dem verdammten Virus unseren Kanaren-Urlaub im Februar/März zu opfern. Wir hatten ein Traumhäuschen auf Teneriffa gebucht, waren aber ständig am Überlegen, vor allem auch wegen der Fliegerei, und überhaupt, ganz so jung wie mein Herz bin ich ja auch nicht mehr. Dann rief die Eigentümerin an und fragte, wie es steht, sie habe noch eine andere Anfrage, und das war der Wink des Schicksals: Stornieren.

Es wird das erste Jahr unserer Beziehung sein, in dem wir nicht die streichelnde Samtluft der Kanarischen Inseln spüren. Und das in einem Winter, von dem niemand weiß, wie eingesperrt wir sein werden. Na, wir denken schon über Inselspaziergänge an der Nordsee nach, uns fällt schon was ein. Und die liebe Gattin hat mir gleich eine Postkarte vor die Nase gestellt, auf der man immerhin den „Hausberg“ unseres Lieblingsortes auf Teneriffa sieht. Ja, das tröstet. Die Geste noch mehr als die Karte.

Dehnt eure letzten Urlaubstage, so gut es geht, damit sie ein bisschen länger werden!

Besitos, Stephan