tag 25

lieber stephan, 

wir haben für die letzten tage noch mal den urlaubsort gewechselt und sind jetzt auf lefkada, einer wunderschönen insel im ionischen meer, immer noch griechenland, nur die andere seite. die abreise ist uns nicht ganz leicht gefallen, das ist ja immer so, wenn man sich irgendwo wohl fühlt, in diesem jahr vielleicht noch ein bisschen mehr. das gute ist, dass es in griechenland viele orte gibt, an denen man sich wohl fühlen kann. lefkada zum beispiel. und ich habe einen neuen freund mitgenommen. nicht den hund, sondern den flamingo. 

thilo war gegen die anschaffung, aber ich finde, in diesem an konsum eher armen sommer soll schon auch die lokale wirtschaft was davon haben, dass wir hier sind, also hab ich mich durchgesetzt. leider waren die luftpumpen aus. meine freundin simone sagt, solange ich einen 1,38 mal 1,04 meter großen flamingo mit der kraft meiner lungen aufblasen und dabei das plastik riechen kann, macht sie sich um meinen gesundheitszustand keine sorgen. der flamingo als corona-test des kleinen mannes. oder frau halt, in diesem fall. vor ein paar tagen wurde übrigens in der nähe von korinth ein kleines mädchen gerettet, das auf seinem einhorn aufs meer hinausgetrieben war. vielleicht wird der nutzen von badetieren generell unterschätzt.

wir müssen bei gelegenheit noch mal über die sache mit dem kaffeepulver sprechen. ich habe gestern große mengen davon in unmittelbarer nähe des esstischs entzündet, was zur folge hatte, dass ich die wespen durch den qualm nur noch schemenhaft erkennen konnte, während sie ungerührt unser abendessen umschwirrten. ich kann nicht ausschließen, dass ich sie mit dem flamingo erschlage, wenn das so weitergeht. 

besitos

* karin

tag 24

Liebe Karin,

bei dem Hundebild von gestern frage ich mich vor allem: Was ist in der Dose, die zwischen den Tieren liegt?  Womit cremst Du sie ein? Aber schön, die beiden mal wieder zu sehen, die liebe Gattin hatte schon gefragt, was sie machen. Na ja, Urlaub, man sieht’s.

Ich habe mich seit gestern in unser kleines Arbeitszimmerchen zurückgezogen, und Du siehst, der Blitz geht beim Fotografieren schon an. Du kannst Dir also ungefähr denken, was das über das Wetter aussagt. Noch geht’s, ich hoffe auf ein Treffen im Lieblings-Biergarten, wenn ihr wieder da seid, aber genießt erstmal noch das Licht und die Luft und das Wasser und alles, und dann hoffe ich, dass ihr einen guten Rückweg findet!

Ich arbeite gerade am Optimismus, hauptberuflich: Gestern ein sehr schönes Gespräch zur Vorbereitung des Podiums mit dem Berufsoptimisten Harald Welzer, und heute schaue ich mir für die FR den Online-Kongress „Zukunft für alle“ an. Das ist eine derartige Ansammlung von zuversichtlichen Zukunftskämpfern (und vor allem -innen)! Gerade flog von einem virtuellen Podium zum Thema „Wohnen im Jahr 2048“ der Satz einer Architektin vorbei: „Wir sind zum Handeln gezwungen. Und im Moment haben wir noch das Glück, dass wir das freudig tun können.“

Heute wollten wir eine liebe Freundin zum Tapas-Essen treffen, natürlich im Freien, aber das Wetter spricht eher dagegen. Beziehungsweise das Virus. Mal sehen… Wie sagte doch die Moderatorin auf dem Zukunftskongress: „Wir werden uns 2048 wieder treffen. Vielleicht ist dann Corona vorbei.“ Ja, Sarkasmus können sie auch, die Zukunftsoptimisten. Bleibt sonnig!

Besitos, Dein Stephan

tag 23

lieber stephan, 

anzünden!! man muss es anzünden!! und hier sitzen wir seit wochen um einen haufen kaffeepulver herum und wundern uns, warum die wespen trotzdem nicht abhauen. in unserer verzweiflung haben wir eine alternative entwickelt, die etwas aufwändiger ist: man kann die wespen mit wasser besprühen, dann denken sie, dass es regnet, und verziehen sich. die methode ist allerdings nicht sehr nachhaltig, was vermutlich damit zu tun hat, dass wespen ein schlechtes gedächtnis haben und deshalb ziemlich schnell zurückkehren, wenn man aufgehört hat zu regnen nämlich. außerdem beregnet man selten nur die wespe, sondern meistens auch das frühstück und einander, du siehst: nicht sehr praktikabel. 

ansonsten gibt es zu berichten, dass es langsam leerer wird in griechenland. der august neigt sich dem ende zu, unser urlaub leider auch – dabei wollte ich dir noch so viel erzählen. von unseren nachbarn, von griechischen buchstaben, phi unter anderem, und von jason und den argonauten. aber ein paar tage bleiben uns ja noch. 

für heute nur so viel: der hund kommt jetzt immer mit seinem dicken freund bei uns vorbei. und er ist wählerisch geworden, was das essen betrifft, dabei hab ich ihm extra leckerli besorgt. aber wenn ich ihm eins hinwerfe, schaut er mich genauso ratlos an wie ich schauen würde, läge man es mir vor die nase. macht aber nichts. der dicke frisst alles. 

besitos

* karin

tag 22

Liebe Karin,

da sitze ich also wieder auf dem Balkon und arbeite vor mich hin, die Urlaubswoche ist schon vorbei, und was Du auf dem Teller siehst, ist nicht etwa ein missglücktes Mousse au Chocolat, sondern Kaffee mit Brandspuren. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass alle es schon wussten, aber uns war das neu: Pulverkaffee zum Glimmen bringen, und um den Rauch macht jede Wespe einen eleganten Bogen. Nie haben wir um diese Jahreszeit so ungestört draußen gegessen!

Lange wird das nicht mehr gehen, wir spüren schon den Herbst hier in Frankfurt. Die Abende werden kühler, und die Zeit rückt näher, in der wir uns fragen müssen, wo und wie wir unsere Freundinnen und Freunde treffen können. 

Wie immer, wenn der Sommer zuende geht, fangen auch die Veranstaltungen wieder an. Ich bleibe vorsichtig, „Hebels aktuelle Stunde“ findet auch nächste Woche wieder online statt und nicht im guten alten Frankfurter „Club Voltaire“. Nur am 17. September, wenn ich an einem Podium mit Harald Welzer teilnehmen darf, wollen wir es in einem großen Saal mit 30 Leuten „live“ versuchen. Bin mal gespannt.

Das Welzer-Lesen hat mir heute ganz gut getan. In seinem Denken steckt so viel Zukunftsfreudigkeit, dass es einen anstecken kann. Den ganz großen Entwürfen, die ja auch lähmen können, stellt er die Hoffnung auf lauter kleine, an Alltagserfahrungen anknüpfende Veränderungen entgegen, die am Ende dann sehr wohl zu etwas Größerem, Anderen werden könnten. Zu dem revolutionären Pessimismus, der mir so oft begegnet, zu diesem „Es geht nur mit der ganz großen Revolution, aber die geht nicht“ bildet Welzer einen schönen Kontrast.

Das mit dem Abtauchen im Urlaub habe ich übrigens gar nicht so fundamental gemeint. Klar kommt die Welt, die lärmende und auch die böse, heutzutage immer mit! Aber selbst ich als Nichtgernschwimmer weiß, dass es schön ist, wenn einem das Wasser mal für ein paar Sekunden die Ohren zuhält. Genießt die letzte Urlaubswoche!

Besitos, Stephan 

tag 21

lieber stephan, 

mit dem abtauchen im urlaub ist das so eine sache. ich bin nicht sicher, dass das im 21. jahrhundert noch übermäßig gut gelingt, schon gar nicht in diesem sommer, und ich weiß auch nicht, für wie erstrebenswert ich das überhaupt halte. nachrichten erreichen mich, per mail, per push-nachricht, neuerdings auch auf meiner uhr. in die ecke werfen kann ich den ganzen krempel stundenweise, aber nicht dauerhaft, weil ich als freie autorin auch im urlaub arbeite, in kleinen dosen, immerhin.

und die welt hört ja nicht auf zu sein, wie sie ist, nur weil ich gerade nicht hinsehe. wenn in russland regimegegner vergiftet werden und in mexiko journalisten in polizeigewahrsam sterben, wenn in offenbach die neuinfektionen durch die decke gehen und in hanau eine demonstration zum gedenken an die opfer des rassistischen anschlags aus fadenscheinigen gründen unterbunden wird, dann möchte ich das zumindest wissen, urlaub hin oder her. ich empfinde dabei die selbe wut, die selbe ohnmacht, die ich auch zuhause empfinden würde. nur dass mein blick dabei aufs meer fällt. das meer, das ich so sehr liebe. das meer, auf dem die griechische küstenwache flüchtlinge auf rettungsinseln aussetzt und ihrem schicksal überlässt.

ohne zugang zum internet wäre ein urlaub in griechenland in diesem jahr ohnehin kaum möglich. in einer woche beginnt für uns die rückreise nach deutschland. auf dem hinweg sind wir über ungarn, rumänien und bulgarien gefahren, die EU-route, aber das war ehrlich gesagt nur, weil wir zu viele zigaretten dabei hatten – eine marke, die es hier nicht gibt. jetzt sind die zigaretten alle, wir drehen selbst, mir traurigen, aber irgendwie rauchbaren resultaten, und wollten deshalb auf dem rückweg über serbien und kroatien abkürzen. serbien darf man derzeit aber nur passieren, wenn man sich zuvor nicht länger als zwölf stunden in bulgarien aufgehalten hat (wobei man griechenland mit dem auto nach wie vor nur über den bulgarischen grenzübergang verlassen kann). und zwischen österreich und slowenien stehen reisende zwölf stunden lang im stau, weil die grenzkontrollen verschärft wurden. 

wir werden sehen. bis dahin sehe ich das meer und die olivenbäume. 

besitos

* karin