Das mit dem Licht war auch diese Woche gar nicht so einfach, selbst wenn man den Tatort am Sonntagabend gar nicht sehen kann. Es erreicht einen ja trotzdem noch so gut wie alles, selbst auf einer kleinen griechischen Insel, und wenn ich auf Twitter Nachrichten über Polizeigewalt und tote Demonstranten in Kolumbien lese, könnte ich heulen. Der Router am Haus wollte mir wahrscheinlich eine Freude machen und hat gestern Nachmittag aufgehört zu funktionieren. Aber das Licht kam erst, als heute Mittag mein Freund Thomas aus Athen anrief.
Thomas ist der Mann, der Schuld daran ist, dass ich mich sehr konzentrieren muss, wenn ich ein paar der wenigen mir verfügbaren Worte auf Griechisch sage. Ich memoriere die Sätze als Lautmasse und gebe sie später wie eine Art Melodie wieder, bei hoffentlich passender Gelegenheit, aber so genau wissen kann man das eben nie. Thomas bringt mir gern Versautes auf Griechisch bei, aber heute brachte er vor allem Licht. In Griechenland ist heute, Dienstag, nämlich der 1. Mai.
Wenn der Tag der Arbeit auf ein Wochenende fällt, erklärte mir Thomas, wird er in Griechenland am nächsten Werktag nachgefeiert. Gestern war Ostermontag, it’s an orthodox thing, weshalb der 1. Mai eben auf den 4. Mai fällt. Und auch noch auf den 6. Mai, wegen Corona, damit nicht alle am selben Tag zusammen auf die Straße gehen. Und schon hab ich wieder überhaupt keine Lust mehr, jemals nach Hause zurückzukommen.
»In Deutschland kann es keine Revolution geben, weil man den Rasen dazu betreten müsste.« Dieser Satz wird Josef Stalin zugeschrieben, vielleicht hat er ihn aber auch nur in einem Gespräch zitiert, jedenfalls musste ich neulich daran denken, als wir auf der Straße zum Strand von Egremni vor einem Absperrgitter standen. Der Strand ist mein Sehnsuchtsziel, seit wir vor vier Jahren zum ersten Mal auf Lefkada waren. Seit vier Jahren ist der Zugang gesperrt, weil ein Erdbeben 2015 sowohl die Straße als auch die Treppen zum Strand zerstört hat. Und seit vier Jahren heißt es, im nächsten Jahr sei das Problem bestimmt behoben.
Auf Youtube kann man Videos sehen, die zeigen, dass die Arbeiten an den Treppenstufen ganz offensichtlich abgeschlossen sind. Auch die Straße macht einen tadellosen Eindruck. Aber da ist eben dieses Gitter. Und weil uns nicht ganz klar ist, ob wir überhaupt richtig offiziell hier in Griechenland sein dürfen, wollten wir uns an die Regeln halten, den Strand von einer Klippe in 200 Metern Höhe anschmachtend.
Die Frau von der Ferienhausvermittlung, die ich aufgrund meiner mangelnden Griechisch-Kenntnisse um Unterstützung bat, brachte für mich in Erfahrung, dass der Zugang zum Strand erst Mitte Juni offiziell eröffnet wird (werden soll). Bis dahin sind wir wieder zurück in Deutschland. Sie erzählte von einem Bekannten, der ein kleines Boot habe, mit dem er uns zum Strand bringen könnte. Aber offiziell ist auch das verboten, weil derzeit nur Schiffe mit weniger als acht Metern Länge raus aufs Meer dürfen – und auch das nur zum Fischen.
Dann fragte sie: »Warum springt ihr nicht einfach über den Zaun?« Anstelle einer Antwort fragte ich sie, ob es nicht möglich wäre, von der zuständigen Behörde eine Sondergenehmigung zu bekommen, ich sei Journalistin und hätte vor, eine Reisereportage über den Strand zu schreiben. Sie hatte bereits mit der Behörde telefoniert. »Die haben gefragt, warum ihr nicht einfach über den Zaun springt.« Aber wäre es nicht irgendwie peinlich, wenn Bauarbeitern uns dabei ertappen würden? »Die helfen euch über den Zaun zu springen. It’s what we would do, it’s greek.«
Falls in den kommenden Wochen eine Reisereportage über Egremni von mir in der ZEIT erscheint, haben wir es getan. Falls nicht auch, aber dann lebe ich jetzt in einer Hütte am Strand und habe keinen Internetempfang.
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